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Donnerstag, 19. Mai 2011

Die Kunst der Entschleunigung

Das passt doch gut hierher ;-) Hier ein Hinweis auf die kommende Ausstellung Die Kunst der Entschleunigung. Bewegung und Ruhe in der modernen Kunst im Kunstmuseum Wolfsburg. Es ist noch ein Weilchen hin, Start ab 12. November 2011.
Die Geschichte der Moderne erscheint zunächst vor allem als eine Geschichte der Beschleunigung. Die Entwicklung immer schnellerer Transportmittel, kürzerer und weitreichender Kommunikationswege und optimierter Produktionsverfahren hat das Lebenstempo seit dem 19. Jahrhundert kontinuierlich erhöht - bis hin zum „rasenden Stillstand“ (Paul Virilio). Sichtbare Speerspitze dieser Entwicklung war auch immer die Kunst, die als Avantgarde das Rad mit ihren Erfindungen und Expansionen in Schwung gehalten hat - vom Impressionismus über den Futurismus bis zum abstrakten Expressionismus und zur kinetischen Kunst der 1950er Jahre. Wenig beachtet wurde bisher aber, dass mit der Faszination für die entfesselte Bewegung von Anfang an stets auch die Suche nach Entschleunigung verbunden war. Bereits um 1900 sprach man vom ’Zeitalter der Nervosität’. Heute, im Zeitalter der Globalisierung, des Turbokapitalismus und des Internets, welches unser Gefühl von Zeitknappheit, Zersplitterung und Ausgebranntsein beschleunigt, wächst nicht nur das Bedürfnis nach Entschleunigung (fernöstliche Entspannungstechniken, slow-food oder slow-communication), sondern auch die Einsicht, Fortschritt müsse von der Bindung an die Beschleunigung entkoppelt werden. Um weiter zu kommen, müssen wir entschleunigen.

Kein Bereich versinnlicht diese Dialektik von Bewegung und Ruhe besser als die moderne Kunst: Zur gleichen Zeit, als die italienischen Futuristen um 1910 in glühenden Manifesten und flammenden Gemälden die Geschwindigkeit verherrlichten, erfand deren Landsmann Giorgio De Chirico die stille Welt der Pittura metafisica. Erstmals geht das Kunstmuseum Wolfsburg dieser Dialektik der Moderne in einer umfassenden Ausstellung nach. Mit einer akzentuierten Werkauswahl werden die beiden Themenfelder ´kontrapunktisch´ erfahrbar gemacht. Die Idee der Bewegung oder Beschleunigung findet ihre vielgestaltige Umsetzung in Werken von Künstlern wie Auguste Rodin, Claude Monet, Marcel Duchamp oder Robert Delaunay, von Futuristen wie Umberto Boccioni, Kinetikern wie Jean Tinguely, Zero-Künstlern wie Otto Piene sowie bei zeitgenössischen Künstlern wie Panamarenko, Nam June Paik und Bruce Nauman. Das stille Gegengewicht bilden die phantastischen Welten von Odilon Redon und der Surrealisten, die Farbfeldmalerei eines Barnett Newman, Mario Merz als Vertreter der Arte Povera bis hin zur filmischen Verlangsamung bei Bill Viola, Douglas Gordon, Aernout Mik oder Tacita Dean.

Die Katalogpublikation und ein differenziertes Rahmenprogramm bilden die Plattform dafür, die aktuelle, allgegenwärtige Diskussion um das gesellschaftliche und individuelle Bedürfnis nach Entschleunigung kunstübergreifend, d.h. aus philosophischer, psychologischer, soziologischer, technologischer und neurowissenschaftlicher Sicht zu beleuchten.

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